LSG Darmstadt 5. Senat , Urteil vom 28. März 2008 , Az: L 5 R 22/06 KN

Leitsatz

1. Wird der Antrag auf Gewährung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (Stammrecht), gestellt, kann dieser Zuschuss erst ab Beginn des Antragsmonats geleistet werden.
2. § 27 Abs. 5 SGB X sowie § 67 SGG (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) finden auf diese Frist keine Anwendung.
3. Eine Ablaufhemmung der dreimonatigen Antragsfrist nach den Grundsätzen des § 210 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, wenn der Versicherte weder geschäftsunfähig noch beschränkt geschäftsfähig ist. Bei einer bipolaren Störung, die durch einen phasischen Verlauf gekennzeichnet ist, ist dies nicht zwingend der Fall.

Verfahrensgang vorgehend SG Gießen 29.12.2005 S 6 KN 170/04
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 29. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung sowie Pflegeversicherung bereits für den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis zum 30. Juli 2004 in Höhe von monatlich 76,20 € bzw. 9,54 €.

Der 1947 geborene Kläger beantragte am 2. Juni 2003 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Beklagten. Hierzu füllte er ein von der Beklagten zur Verfügung gestelltes Formular „Antrag auf Versichertenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung“ handschriftlich aus. Unter der Rubrik „Krankenversicherung der Rentner (KVDR)/Pflegeversicherung“ kreuzte er bei der Frage „Beantragen Sie Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung/Pflegeversicherung für den Fall, dass keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung/Pflegeversicherung bestätigt wird?“ das Kästchen „Nein“ an. Ebenso kreuzte er „Nein“ bei der Frage „Beantragen Sie Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung/Pflegeversicherung, weil sie freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind?“ an. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Renten wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juni 2003 bis zum 31. Oktober 2004.

Am 16. August 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten ebenfalls auf einem dafür vorgesehenen Formblatt (Blatt 110 Verwaltungsakte) einen Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI. Dort führte er aus, dass er auch um die Prüfung eines rückwirkenden Zuschusses aus der Zeit vor dieser Antragstellung bitte, weil er in der Vergangenheit wegen schwerer Depressionen gehindert gewesen sei, sich um seine eigene Rechte zu kümmern. Hilfsweise beantrage er die Einsetzung in alte Rechte.

Die Beklagte holte bei der Krankenversicherung des Klägers, der Techniker Krankenkasse eine Auskunft hinsichtlich des Krankenversicherungsbeitrages ab 1. Juni 2003 ein; mit Schreiben vom 17. September 2004 teile diese mit, dass der Kläger vom 1. Juni 2003 bis zum 24. Oktober 2003 als Arbeitslosengeldempfänger pflichtversichert gewesen sei und dass der Krankenversicherungsbeitrag in der freiwilligen Versicherung vom 25. Oktober 2003 bis zum 31. Dezember 2003 142,75 € sowie ab 1. Januar 2004 153,99 € betragen habe.

Mit Bescheid vom 30. September 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Zuschuss zur Krankenversicherung für die Zeit ab 1. August 2004 bis zum 31. Oktober 2004 in Höhe von 77,00 €, sowie zugleich eine Nachzahlung von 231,00 € für den Bewilligungszeitraum 1. August 2004 bis 31. Oktober 2004. Hiergegen legte der Kläger am 29. Oktober 2004 Widerspruch ein mit der Begründung, dass auf seinen Antrag der „Einsetzung in alte Rechte“ im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück mit der wesentlichen Begründung, dass für laufende Zusatzleistungen nach § 108 SGB VI die Vorschriften über Beginn, Änderung und Ende von Renten entsprechend anzuwenden seien. Zwar hätten die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung dem Grunde nach vom Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung ab 25. Oktober 2003 an vorgelegen, da der Antrag auf Gewährung des Beitrageszuschusses zur Krankenversicherung jedoch erst am 16. August 2004 gestellt worden sei und somit die Antragstellung nicht bis zum Ende des Dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung dem Grunde nach erfüllt waren, erfolgt sei, habe der Beitragszuschuss erst von dem Kalendermonat an geleistet werden können, in dem er beantragt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 SGG sei im vorliegenden Fall nicht möglich, weil keine Gründe dafür geltend gemacht worden seien, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, den Antrag auf Gewährung des Beitragszuschusses fristgerecht zu stellen.

Die hiergegen am 6. Dezember 2004 bei der Beklagten zur Weiterleitung an das Sozialgericht Gießen erhobene Klage begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass er sich zum Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrags wegen schwerer Depressionen zur Behandlung in der Psychiatrischen Tagesklinik in B. befunden habe und nicht voll handlungsfähig gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Dezember 2005, dem Kläger zugegangen am 17. Januar 2006, abgewiesen. Der Zuschuss könne erst ab Beginn des Kalendermonats der Antragstellung an geleistet werden, weil diese erst nach dem dritten Kalendermonat nach Ablauf des Monats erfolgte, in dem die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses erfüllt waren. Ob der Kläger tatsächlich in der Vergangenheit vor August 2004 durch schwere Depressionen gehindert gewesen sei, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, könne seitens des Gerichts nicht nachvollzogen werden, weil der Kläger trotz Erinnerung das ihm überlassene Formblatt S 17 C nicht zurückgereicht habe. Daher sei es dem Gericht verwehrt gewesen, bei den dem Kläger behandelnden Ärzten Ermittlungen anzustellen und Wiedereinsetzungsgründe zu prüfen.

Der Kläger hat gegen den ihm am 17. Januar 2006 zugegangenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts am 23. Januar 2006 durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, er habe bereits im Dezember 2003 unter einer bipolaren und affektiven Störung, sowie einer leichten oder mittelgradig depressiven Episode mit somatischem Syndrom gelitten, weshalb er aus geistiger bzw. psychischer Sicht nicht in der Lage gewesen sei, seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Aus dem Reha-Entlassungsbericht vom 16. Dezember 2003 ergebe sich, dass sich der Gesundheitszustand im Dezember 2003 verbessert habe, weshalb dieser ursprünglich noch schlechter gewesen sein müsse. Des Weiteren würden die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vorliegen. Bereits am 16. Dezember 2003 habe er seitens seines Krankenversicherers die Mitteilung erhalten, dass sich dieser mit dem Rentenversicherungsträger zwecks Zuschusszahlung zu den Beiträgen in Verbindung setzen werde, was zeige, dass der Krankenversicherer spätestens zum damaligen Zeitpunkt gewusst habe, dass dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von Zuschüssen zu seinen Beiträgen zustehe. Aus dem Schreiben sei zu entnehmen, dass auch der Rentenversicherer von dem Krankenversicherer eine entsprechende Mitteilung erhalten haben müsse. Dennoch sei weder seitens des Krankenversicherers, noch seitens des Rentenversicherers eine weitere Beratung erfolgt. Zudem hätten sowohl der Krankenversicherer als auch die Beklagte anhand der Aktenlage wissen müssen, dass der Kläger im Hinblick auf sein Krankheitsbild nicht in der Lage sein würde, die ihn betreffenden Angelegenheiten in seinem Sinne selbst zu regeln. Daher sei der Kläger so zu stellen als sei er vollständig und zutreffend beraten worden. Ferner sei für den Fall, dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht angenommen werde, dem Kläger jedenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 SGG zu gewähren, weil dieser aufgrund seines Krankheitsbildes den Antrag auf Zahlung der Zuschüsse unverschuldet nicht bereits vor 2004 gestellt habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 29. Dezember 2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 30. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung/Pflegeversicherung zur Rente des Klägers bereits ab dem 1. Juni 2003 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich durch das angegriffene Urteil des Sozialgerichts in ihrer Auffassung bestätigt und ist insbesondere der Auffassung, dass die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorliegen. Auch sei nicht festzustellen, dass weder zum Zeitpunkt des Beginns noch zum Zeitpunkt des Ablaufs der Antragsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 210 BGB vorgelegen hätten, die zu einer Hemmung der Frist geführt hätten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Akten. Wesentlicher Inhalt dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Die Berufung war statthaft, weil Streitgegenstand die Gewährung des Beitragszuschusses für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch wurde die Berufung fristgemäß erhoben.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 29. Dezember 2005 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB VI wird der monatliche Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe des halben Betrages geleistet, der sich aus der Anwendung des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkasse auf den Zahlbetrag der Rente ergibt (§ 106 Abs. 2 Satz 1 SGB VI i.d.F. des Dritten SGB V-Änderungsgesetzes vom 10. Mai 1995 (BGBl. I Seite 678)). Die gleichen Grundsätze gelten auch für den Zuschuss für die Aufwendung zur Pflegeversicherung nach § 106 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Wie die Beklagte und das Sozialgericht zu Recht erkannt haben, verweist § 108 SGB VI im Sinne einer Rechtsfolgeverweisung für den Beginn, Änderung und Ende von Zusatzleistungen auf die Vorschrift über Beginn, Änderung und Ende von Renten und somit auf § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, der bestimmt, dass eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des Dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. § 99 Abs. 1 SGB VI bestimmt nicht das Entstehen des subjektiven Stammrechts auf Rente, welches unmittelbar kraft Gesetzes ebenso wie die monatlichen Einzelansprüche als deren Rechtsfrüchte entsteht. Die Vorschrift regelt nur den Zahlungsbeginn bei späterer Antragstellung und somit die Frage, welcher Einzelanspruch der erste entstandene und fällig gewordene ist, den die Beklagte erfüllen muss, falls der Berechtigte den Antrag nicht vor oder bei Entstehung des Rechts auf Rente sondern erst nach diesem Zeitpunkt stellt. Für diese Fälle wird ein materiell-rechtlicher, die fälligen Einzelansprüche vernichtender Einwand ausgestaltet, der dann Platz greift, wenn der Antrag mehr als drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats gestellt wird, in dem das Recht auf Rente entstanden ist (BSGE 61, 108, 113; BSG, Urteil vom 2. August 2000, SozR 3-2600 § 99 Nr. 5).

Gemäß § 108 SGB VI auf das Recht auf Zahlung eines Beitragszuschusses übertragen bedeutet dies im vorliegenden Fall, wie die Beklagte zu Recht erkannt hat, dass zwar das Stammrecht für die Gewährung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung mit Entstehung der Anspruchsvoraussetzungen mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung ab 25. Oktober 2003 erfüllt waren, dass jedoch - da die Antragstellung auf Gewährung des Beitragszuschusses nicht bis zum Ende des Dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorlagen, erfolgt ist - erst vom Antragsmonat an geleistet werden kann. Da der Antrag erst am 16. August 2004 gestellt wurde, kommt als Zahlungsbeginn erst der 1. August 2004 in Betracht.

Sofern der Kläger geltend macht, dass aufgrund seiner Erkrankung die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben seien, verkennt er, dass diese gemäß § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig ist, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Aus der für Hinterbliebenenrenten besonderen Regelung des § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber abgesehen von den dort geregelten Hinterbliebenenrenten keine Ausnahme von der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung hat zulassen wollen, weil sonst Abs. 2 Satz 3 überflüssig wäre (Niesel in Kasseler Kommentar, Stand 1. September 2006, SGB VI § 99 Rdnr. 12; s. auch BSGE 21, 129, 132 zu § 1286 RVO a.F.). § 67 Abs 1 SGG findet hierbei ohnehin keine Anwendung, weil diese Vorschrift nur für gesetzliche Fristen des Prozessrechts gilt (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 2a).

Auch handelte es sich um keinen Fall, in dem in entsprechender Anwendung des § 210 Abs. 1 Satz 1 BGB i.d.F. vom 2. Januar 2002 (BGBl. I 42) die Frist gehemmt ist, da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Juni 2003 in Folge höherer Gewalt gehindert war, den Zuschuss früher zu beantragen. Gemäß § 210 Abs. 1 Satz 1 BGB wird die gegen eine geschäftsunfähige Person ohne gesetzlichen Vertreter laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt vollendet, in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wendet diese Vorschrift auf die in § 67 Abs. 2 AVG genannte Antragsfrist für den Beginn der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entsprechend an (siehe dazu: BSG vom 7. Juni 1982 - 5b RJ 56/82 zur Vorgängernorm § 206 BGB a.F.). Grundgedanke des § 210 BGB ist es, diejenigen Personen, die aufgrund ihrer Geschäftsunfähigkeit nicht selbst handeln können und keinen gesetzlichen Vertreter haben, zu schützen, indem die Verjährungsfrist in ihrem Ablauf gehemmt wird. Eine Übertragung dieses Grundgedankens nach Sinn und Zweck des § 210 Abs. 1 BGB auf die sozialrechtliche Frist für den Beginn von Renten bedeutet nach der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG vom 7. Juni 1982, a.a.O.; BSGE 19, 173, 177), dass bei einem Geschäftsunfähigen die dreimonatige Antragsfrist bis zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters in ihrem Ablauf gehemmt ist. Bei Beendigung des Hemmungsgrundes - sei es, dass die betreffende Person wieder unbeschränkt geschäftsfähig wird oder dass der Mangel der Vertretung aufhört - muss die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit allerdings innerhalb der Drei-Monats-Frist – nach der Bestellung des Vormundes – beantragt werden. Der Antrag nach Ende des Hemmungsgrundes innerhalb dieser Frist bewirkt dann, dass der Antrag auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Leistungsfall eingetreten und die Wartezeit erfüllt ist (BSG vom 7. Juni 1982, a.a.0.; (BSGE 21, 129, 132 zu § 1286 RVO a.F.)).

Diese Voraussetzungen liegen hier erkennbar nicht vor. Ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Bestellungsurkunde in Kopie wurde erst am 13. Dezember 2005 ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB angeordnet und ein Betreuer im Sinne von § 11 Abs. 2 SGB X bestellt. Mittlerweile wurde dieser Einwilligungsvorbehalt wieder aufgehoben. Zudem lassen sich aus dem im Laufe des Rentenverfahrens eingeholten Rentengutachten vom 28. August 2003 sowie aus dem beigezogenen Arztbrief des Kreiskrankenhauses B. vom 28. Mai 2003 und dem Arztbrief des Dr. S. vom 30. Juni 2003 als Diagnosen nur eine bipolare Psychose sowie eine seinerzeit mittelgradige depressive Phase mit Antriebsarmut und affektiver Verflachung ableiten, die zwar bereits eine erhebliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bedingten, jedoch noch nicht die Annahme einer Einschränkung der Geschäftsfähigkeit zumindest zum damaligen Zeitpunkt nahelegen. Hierfür wäre Voraussetzung eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit in der Gestalt, dass die freie Willensbestimmung ausgeschlossen bzw. beschränkt ist (§§ 104 ff. BGB). Weiterhin verlangt der Gesetzeswortlaut des § 104 Nr. 2 BGB, dass dieser Zustand nicht nur vorübergehender Natur ist. Bereits letzteres ist bei der Diagnose der bipolaren Störung, die durch einen phasischen Verlauf gekennzeichnet ist (vgl. dazu die Ausführungen der Deutschen Gesellschaft für bipolare Störungen unter www.dgbs.de), gerade nicht der Fall (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB Auflage 2007, § 104 Rdnr. 4). Dieses periodische Auftreten der Störungen lässt sich auch im Falle des Klägers anhand der unterschiedlichen Rentengutachten sowie des Entlassungsberichts des Kreiskrankenhauses B. vom 28. Mai 2003 (Bl.: 3 Beklagtenakte/ärztliche Gutachten) belegen. Ferner heißt es im Rentengutachten vom 28. August 2003 (Bl.: 10 Verwaltungsakte – ärztliche Gutachten) zur Psyche des Klägers, dass der Kläger zeitlich und örtlich voll orientiert und bewusstseinsklar sei, kein Anhalt für das Vorliegen von Wahnideen oder Sinnestäuschungen vorlägen, sowie ein situationsgerechtes Verhalten mit unauffälliger Mimik ohne Konzentrations- und Erinnerungsstörungen festzustellen seien.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hält der Senat nicht für erforderlich. Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt zwar von Amts wegen, es ist jedoch an Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Insbesondere muss das Gericht nicht nach Tatsachen forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte bieten (siehe BSGE 87, 132, 138; 36, 107, 110). Besonders für die Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es weiterer Anknüpfungstatsachen, die die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines mit besonderem Fachwissen ausgestatteten Sachverständigen zur Beurteilung dieser Tatsachen nahelegen. Einen wirksamen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen daher auch nicht die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Institut ist auf Naturalrestitution in Gestalt der Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder eines konkreten Sozialrechtsverhältnisses des oder der Berechtigten gegenüber erwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten insbesondere zur Auskunft, Beratung und Fürsorge nicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (siehe BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn. 12 und 14 m.w.N.; SozR 3-3200 § 86 a Nr. 2; siehe auch Hessisches LSG Urteil vom 29. November 2002 Az.: L 15/13 RA - 881/99 – Juris). Anerkannte Rechtsfolge einer solchen behördlichen Verletzung von Nebenpflichten ist zwar, dass unter Umständen versäumte Anträge und Erklärungen des betroffenen Bürgers bzw. des Versicherten als rechtzeitig und ordnungsgemäß gelten (siehe BSG SozR 4100 § 14 Nr. 28). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt unter anderem die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialversicherungsverhältnis voraus (s. BSGE 91,1, 4; BSG SozR 1200 § 14 Nr. 16 Seite 29 ff.; SozR 3-1200 § 14 Nr. 22 Seite 74 ff., Nr. 24 Seite 82 ff.). Aus § 13 SGB I kann kein Herstellungsrecht entstehen, da die Vorschrift allein die generelle Aufklärungspflicht der Sozialleistungsträger gegenüber der Bevölkerung betrifft. Vielmehr muss es sich um die Verletzung einer konkreten Beratungs- oder Auskunftspflicht (§§ 14, 15 SGB I) handeln (s. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003, SozR 4-1200, § 46 Nr. 1), deren Grenzen sich aus dem Verhalten des Versicherten ergeben (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 17, Nr. 16 S. 49 ff.; Seewald in Kasseler Kommentar Stand 1. September 2006 SGB I § 14 Rdnr. 14 ff.). Im vorliegenden Fall hat der Kläger in seinem Rentenantrag vom 6. Juni 2003 auf die konkrete Frage, ob er Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung beantragt mit „Nein“ geantwortet. Insoweit bestand für die Beklagte keinerlei Anlass, den Kläger über die grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Gewährung von Beitragszuschüssen zu informieren, da der vom Kläger klar geäußerte Wille eine solche Zuschussgewährung bereits ablehnte. Auch dies war aufgrund des klägerseitigen Verhaltens für die Beklagte nicht anzunehmen. Dass beim Kläger nicht von einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit auszugehen ist, die die Gültigkeit der Willenserklärung hätte aufheben können, wurde oben bereits dargelegt. Aber auch die Annahme einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit, die ebenfalls zur Nichtigkeit einer Willenserklärung führt (§ 105 Abs. 2 BGB), lässt sich daraus nicht ableiten. Die Fähigkeit, die Bedeutung einer abgegebenen Willenserklärung zu erkennen, wird selbst bei ausgeprägten Depressionszuständen nicht automatisch aufgehoben, hinzukommen muss eine krankhaft bedingte Veränderung der Motivationsbildung aufgrund der affektiven und kognitiven Veränderungen des Depressionszustandes (vgl. VGH München, Urteil vom 12. September 2001 – Az.: 3 B 98.2604 – veröffentlich in Juris Rdnr. 54). Eine solch starke Ausprägung des klägerischen Krankheitsbildes lässt sich jedoch anhand der aktenkundigen Befunde nicht einmal ansatzweise vermuten. Dagegen spricht auch der Umstand, dass der Kläger offensichtlich durchaus in der Lage gewesen ist, mit diesem Formular einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zu stellen sowie Angaben zu seiner Erwerbsbiografie zu tätigen. Die Berufung auf den Umstand, dass bei der Verneinung einer Beantragung eines Beitragszuschusses eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit vorgelegen haben soll, erscheint daher zudem als widersprüchlich.

Die Pflicht zu einer darüber hinausgehenden konkreten individuellen Spontanberatung besteht hingegen nur dann, wenn sich dem Sozialleistungsträger eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zu Gunsten des Versicherten aufdrängt (vgl. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16 S. 49 ff.), wozu er hier überhaupt Kenntnis vom Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung hätte haben müssen. Auch für einen späteren Zeitpunkt ist anhand der Dokumentation in der Beklagtenakte nicht nachgewiesen, dass seitens der Krankenversicherung die Beklagte über das Bestehen einer freiwilligen Versicherung informiert worden wäre. Selbst wenn das vom Kläger behauptete Anschreiben vom 16. Dezember 2003 existieren würde, in dem der Träger der Krankenversicherung ankündigte, die Beklagte zu informieren, würde dies nicht den Nachweis erbringen, dass dies auch tatsächlich geschehen ist. Das Unterlassen könnte ebenfalls keinen Herstellungsanspruch begründen, weil diese dazu nicht verpflichtet war. Zudem würde es an einer Kausalität zwischen Pflichtverletzung (der Behörde) und ausgleichsbedürftiger Situation fehlen, weil namentlich die Angabe des Klägers, keinen Zuschuss beantragen zu wollen, die qualitativ vorwiegende Ursache für die Nichtleistung der Beklagten ist (vgl. BSGE 34, 124, 129 f; 12, 242, 246; 1, 72, 76).

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben und die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

SGB § 108 , SGB 6 § 106 Abs 2 S 1 , SGB 6 § 106a Abs 2 S 1 , SGB 6 § 99 , SGB 10 § 27 Abs 5 , SGB 10 § 11 Abs 2 , SGG § 67 , BGB § 210 , BGB § 1903 , BGB § 104 , BGB § 105 Abs 2 ,