LSG Hamburg 3. Senat , Urteil vom 31. Oktober 2006 , Az: L 3 R 22/06 KN
SGB 6 § 118 Abs 3 S 3 , SGB 6 § 118 Abs 3 S 1 , SGB 6 § 118 Abs 3 S 2 , SGB 6 § 118 Abs 3 S 4 , SGG § 170 Abs 2 S 2 , SGG § 170 Abs 5 ,
(Rücküberweisung von Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten - im Soll befindliches Konto - Forderung des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut - Zurückverweisung - sozialgerichtliches Verfahren)

Leitsatz
Eine zurückzuverweisende Revisionsentscheidung ist für das Vordergericht nicht gemäß § 170 Abs 5 SGG verbindlich, wenn in ihr die Entscheidungskausalität für die Verwerfung der vorinstanzlichen Rechtsauffassung nicht deutlich herausgestellt wird, wenn sie nicht zu erkennen gibt, ob bestimmte Ausführungen als obiter dictum zu verstehen sind, oder wenn sie tatsächlich nicht erfüllbare Auflagen enthält. Der Sozialleistungsträger kann von der Bank eine zu Unrecht überwiesene Geldleistung nicht nach § 118 Abs 3 SGB 6 zurückfordern, wenn sie einem im Soll befindlichen Girokonto gutgeschrieben und über das Konto anschließend durch einen Berechtigten in Höhe des entsprechenden Betrages verfügt worden ist (vgl BSG vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R = BSGE 83, 176 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4).

Verfahrensgang
vorgehend SG Hamburg 14.10.2004 S 11 RA 524/03
nachgehend BSG 0.00.0000 B 4 R 89/06 R
Langtext

Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte an die Klägerin überzahlte Rentenleistungen in Höhe von 959,79 EUR zurückzuüberweisen hat.
Die Klägerin zahlte dem bei ihr versicherten R. S., der am XX.XXXXXXX 2002 verstarb, zuletzt eine monatliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 959,79 EUR. Der Versicherte unterhielt ein Konto bei der Beklagten. Die Rentenzahlung für den Monat September 2002 ging noch auf dieses Konto ein.
Unter dem 4. September 2002 forderte der Rentenservice der D. P. AG die für September 2002 überzahlte Rente von der Beklagten zurück. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 10. September 2002 mit, sie könne den Rentenrückruf nicht ausführen, da über den Betrag bereits verfügt worden sei. Von dem Sterbefall habe sie erst durch den Rückruf erfahren.
Mit Schreiben vom 18. September 2002 wandte sich die Klägerin selbst an die Beklagte und forderte Rücküberweisung der Überzahlung vom 1. bis 30. September 2002 in Höhe von 959,79 EUR. Die Beklagte erwiderte, sie könne den Rückruf nicht berücksichtigen, da sich das Konto zum Zeitpunkt der Gutschrift der Rentenzahlung nach dem Tode des Versicherten Ende August 2002 mit über 4600 EUR im Soll befunden habe. Über den Rentenzahlbetrag sei vor Eingang der Rückforderung bereits berechtigt verfügt worden. Weitere Versuche der Klägerin, die Beklagte zur Zahlung zu bewegen, scheiterten.
Am 28. August 2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg Leistungsklage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, an sie 959,79 EUR zu zahlen: Die Beklagte habe den fraglichen Betrag nach § 118 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu erstatten. Da sich das Konto des Versicherten zum Zeitpunkt der Überweisung der Rente mit über 4600 EUR im Soll befunden habe, habe die Beklagte mit Gutschrift der Rentenzahlung unzulässigerweise eigene Forderungen befriedigt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, aus der Aufstellung der Kontobewegungen ergebe sich, dass es nach Gutschrift der Rentenzahlung von 959,79 EUR unter dem 29. August 2003 zu Verfügungen zu Lasten des Kontos im Umfang von mehr als 1500 EUR gekommen sei. Bei den Begünstigten handele es sich um Gläubiger des Kontoinhabers bzw. des Nachlasses. Wäre die Rentenzahlung ausgeblieben, hätte sie, die Beklagte, in Anbetracht des bereits am 29. August 2003 bestehenden Negativsaldos weitere Verfügungen nicht zugelassen. Eigene Forderungen habe sie nicht befriedigt. Ein Kontoguthaben sei nicht verblieben. Vom Ableben des Kontoinhabers habe sie erst am 10. September 2002 erfahren.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14. Oktober 2004 die Beklagte kostenpflichtig verurteilt, an die Klägerin 959,79 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin fordere von der Beklagten den überzahlten Rentenbetrag zu Recht gemäß § 118 Abs. 3 SGB VI zurück. Die Klägerin habe die Rente für den Monat September 2002 zu Unrecht auf das Konto des Versicherten überwiesen. Ein Rentenanspruch habe aufgrund des Todes des Versicherten für diesen Zeitraum nicht mehr bestanden. Die Beklagte sei daher nach § 118 Abs. 3 SGB VI zur Erstattung verpflichtet. Zwar entbinde die Vorschrift des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI das Geldinstitut von seiner Erstattungspflicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Anforderung bereits anderweitig – nicht zur Befriedigung eigener Ansprüche – verfügt worden sei und das restliche Guthaben für die Rücküberweisung nicht ausreiche. Verfügungen aus einem durchgehend im Soll befindlichen Konto seien jedoch nicht geeignet, den "Entreicherungseinwand" zu eröffnen, weil dies nicht der in § 118 SGB VI enthaltenen Risikoverteilung auch unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft entspreche.
Das Urteil ist der Beklagten am 9. November 2004 zugestellt worden. Am 9. Dezember 2004 hat sie Berufung eingelegt (Verfahren L 3 RA 48/04).
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte ausgeführt, das Sozialgericht habe ihr zu Unrecht den Einwand nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI verweigert. Danach bestehe eine Verpflichtung zur Zurücküberweisung nicht, soweit über den entsprechenden Betrag – wie hier – bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt worden sei, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen könne. Ein Guthaben sei nicht mehr vorhanden gewesen. Für den Einwand mache es entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keinen Unterschied, ob das Konto des Versicherten durchgängig im Soll geführt worden sei oder nicht. Die Risikoverteilung nach § 118 Abs. 3 SGB VI sei dadurch geprägt, dass das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden dürfe (S. 4). Darüber hinaus bestehe keine Veranlassung, das Institut mit einem Schaden zu belasten, der sich daraus ergebe, dass nach Eingang einer Zahlung Verfügungen durch Berechtigte auf dem Konto zugelassen werden und späterhin gleichwohl Rückzahlung geleistet werden muss.
Die Beklagte hat beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2004 zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Rentenzahlbetrag werde nach § 118 Abs. 3 SGB VI zurückgefordert, da er zur Befriedigung eigener Forderungen der Beklagten, nämlich der Reduzierung des Kontensolls, verwendet worden sei. Das Bestehen einer Forderung des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut in derartigen Fällen sei durch das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt worden.
Mit Urteil vom 3. Mai 2005 hat das Berufungsgericht, der Rechtsprechung 9. Senats des BSG (Urteil vom 9.12.1998, BSGE Bd. 83 S. 176) folgend, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung wird Bezug genommen.
Auf die Revision der Klägerin hin hat das BSG, ohne die Entscheidung vom 9. Dezember 1998 inhaltlich zu erwähnen, das Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Mai 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen (Urteil v. 13.12.2005 im Verfahren B 4 RA 28/05 R). In der Begründung heißt es, die Revision der Klägerin sei "im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung der Sache an das LSG" begründet. Soweit das Landessozialgericht mit den von ihm angegebenen Gründen das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen habe, habe es Bundesrecht verletzt. Der Einwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VI setze voraus, dass der Wert der überwiesenen Geldleistung nicht im Vermögen des Geldinstituts geblieben sei; es werde von der Rücküberweisungspflicht so lange nicht frei, bis es den Wert der überwiesenen Geldleistung durch eine entsprechende Gutschrift auf das in der Überweisung genannte Konto vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers und in dessen Verfügungsmacht übertragen habe. Voraussetzung sei, dass (berechtigte) Dritte, nicht aber das Institut selbst, im Rahmen des bankvertraglichen Verkehrs das Guthaben durch Verfügung unter einen dem Wert der Geldleistung entsprechenden Betrag gesenkt hätten. "Ferner" könnte das Geldinstitut sich gegenüber dem Rentenversicherungsträger nur anspruchsvernichtend auf Entreicherung zu Gunsten des Kontoinhabers berufen, wenn der übertragene Wert der Geldleistung bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht wieder in das Vermögen der Bank geflossen sei. Es fehlten ausreichende tatsächliche Feststellungen des Landessozialgerichts für eine abschließende Entscheidung darüber, ob die Beklagte verpflichtet sei, den Wert des zurückgeforderten Betrages zu erstatten. Das Landessozialgericht werde insbesondere festzustellen haben, wie hoch der Kontostand zum Zeitpunkt des Eingangs der streitbefangenen Rentengutschrift gewesen sei; die Feststellung dieses Kontostandes sowie desjenigen zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung sei "zwingend erforderlich".
Im Februar 2006 hat die Geschäftsstelle des 4. Senats des BSG dem Berufungsgericht "den Leitsatz zum Urteil des Senats vom 13.12.2005" "zum Dienstgebrauch" übersandt. Dieser lautet unter Nr. 2: "Der Rücküberweisungsanspruch geht auch dann nicht wegen Entreicherung des Geldinstituts unter, wenn es im Rahmen eines Girokontenvertrages mittels der fehlgegangenen Rentenüberweisung einen Schuldenstand des Konteninhabers durch Verrechnung gemindert und so jedenfalls wirtschaftlich seinen Rückzahlungsanspruch gegen diesen erfüllt hat (Fortführung ua von BSG SozR 3-2600 § 118 Nr 3,10)"
Unter dem 10. Mai 2006 hat die Pressestelle des BSG als "Arbeitsunterlage für die bei diesem Gericht tätigen Journalisten" einen Terminbericht über die am 13. Dezember 2005 getroffene Entscheidung veröffentlicht, welchen das Berufungsgericht der Beklagtenseite zur Kenntnis gebracht hat.
Die Ermittlungen des Berufungsgerichts insbesondere anhand der von der Beklagten vorgelegten Zweitschriften der Kontoauszüge haben in Ergänzung der bereits vorhandenen Erkenntnisse und des unstreitigen Vorbringens der Beteiligten ergeben: Der Stand des fraglichen Kontos betrug zum 15. August 2002 -4450,33 EUR. Am 16. August 2002 wurde es mit Wertstellung vom selben Tage durch Abhebung an einem Geldautomaten mit weiteren 150,00 EUR belastet (Kontostand also -4600,33 EUR). Am 29. August 2002 wurde der Wert einer Rentenzahlung ("Renten Service Hmb ... ANV-Rente") in Höhe von 401,45 EUR gutgeschrieben, am selben Tage außerdem der Wert der hier streitbefangenen Rente in Höhe von 959,79 EUR sowie der Wert einer Zahlung der Finanzbehörde Landeshauptkasse Hamburg in Höhe von 289,85 EUR ("Vers.-Bez."). In der Folgezeit bis zum 4. September 2002 kam es, abgesehen von einer Gutschrift von 1,02 EUR am 2. September 2002, ausschließlich zu noch von dem verstorbenen Kontoinhaber veranlassten Abbuchungen. Aufgrund einer weiteren Gutschrift von 1100,00 EUR am 5. September 2002 betrug der Kontostand sodann (bis zum 29. September 2002 nicht mehr verändert) -3433,80 EUR. Diese zwischen den Beteiligten nie streitigen Feststellungen macht sich der Senat ausdrücklich zu eigen. Im Übrigen wird auf die Kontoauszüge (Bl. 96-112 der Prozessakten) Bezug genommen.
Die Beteiligten fühlen sich vor diesem Hintergrund durch die Entscheidung des BSG vom 13. Dezember 2005 jeweils in ihrem Rechtsstandpunkt bestätigt.
Die Beklagte führt insbesondere aus, dass eine Vermögensübertragung zu Gunsten der Bank schon nicht eintrete, wenn die Leistung unter Vorbehalt erfolge, was hier nach dem Wortlaut des § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI der Fall gewesen sei. Die Kontobewegungen machten deutlich, dass die streitbefangene Rentenleistung nicht in ihr Vermögen gelangt sei. Eine Verrechnung zu ihren Gunsten habe nicht stattgefunden, sondern der Rentenbetrag sei durch Verfügungen des Berechtigten, die der Höhe nach den Rentenbetrag überstiegen hätten, verbraucht worden. Wollte man demgegenüber, obwohl das Urteil des BSG keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür biete, annehmen, das Gericht habe bindend zum Ausdruck bringen wollen, dass bereits mit der Gutschrift eine Vermögensübertragung an sie, die beklagte Bank, stattgefunden habe, so widerspräche dies der Regelung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI. Wenn dort bestimmt sei, dass eine Verpflichtung zur Rücküberweisung nicht bestehe, soweit über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt worden sei, es sei denn, die Zahlung könne aus einem Guthaben erfolgen, so hätte es dieser Regelung nicht bedurft, wenn in jedem Falle einer – vom Gesetzgeber ausdrücklich zugrunde gelegten – Überweisung eine "Entreicherung" bereits deswegen ausgeschlossen wäre, weil die Bank den überwiesenen Betrag (wie stets) in das Konto einstelle und verrechne. Wollte man das BSG, wie es der allerdings nicht verbindliche Leitsatz und die Presse-Erklärung möglicherweise nahe legten, in diesem Zusammenhang zu ihren Lasten verstehen, so berührte dies ihre verfassungsrechtlich geschützten Belange, weshalb das Berufungsgericht an eine solche Rechtsauffassung des BSG nicht gebunden wäre.
Die Beteiligten halten jeweils an ihren früher im Berufungsverfahren gestellten Anträgen fest.
Die Klägerin führt aus, auf etwaige Unsicherheiten bezüglich des Kontostandes zum Zeitpunkt des Eingangs der Rente, die sich daraus ergäben, dass am selben Tag mehrere Zahlungseingänge zu verzeichnen seien, komme es nicht an. Auch die Rente in Höhe von 401,45 EUR habe unter Rückforderungsvorbehalt gestanden, desgleichen wohl die Zahlung von Versorgungsbezügen. Bei jeder Betrachtungsweise habe sich das Konto zum fraglichen Zeitpunkt mit mehr als 4310 EUR im Soll befunden. Die Beklagte habe sehr wohl eine Forderung mit dem Debet verrechnet, was sich aus einer von ihr offen zu legenden Zinsberechnung werde ergeben müssen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist gemäß § 143 SGG statthaft; sie ist form- und fristgerecht schriftlich eingelegt worden (§ 151 SGG) und daher zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig (BSG, Urt. v. 13.12.2005, B 4 RA 28/05 R). Die Klage ist jedoch nicht begründet. Aus der Entscheidung des BSG (a.a.O.) ergibt sich nichts anderes.
Nach § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht (S. 1). Das Institut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern (S. 2). Eine Verpflichtung zur Zurücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (S. 3). Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (S. 4).
Die Klägerin fordert allerdings Leistungen zurück, die dem Versicherten für die Zeit nach dem Tode zu Unrecht erbracht worden sind. Dessen Rentenanspruch hat nach § 102 Abs. 5 SGB VI nur noch bis zum Ablauf des Sterbemonats, d.h. bis zum XX.XXXXXXX 2002, bestanden. Die für den Monat September 2002 noch überwiesene Rente ist damit zu Unrecht geleistet worden.
Die Frage, ob die Beklagte sich auf den Einwand gemäß § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen kann, weil über den "entsprechenden Betrag" bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt worden war und das Konto zum Zeitpunkt der Rückforderung kein Guthaben aufwies, hat das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 3. Mai 2005 zu Gunsten der Beklagten entschieden. Darauf wird Bezug genommen: Bei den Abgängen von dem Konto zwischen dem 29. August 2002 und dem 5. September 2002, die den Rückforderungsbetrag übersteigen, handelt es sich im Wesentlichen um Lastschriften, die von dem Versicherten noch zu Lebzeiten zur Einziehung erteilt worden waren oder um von ihm in Auftrag gegebene Überweisungen (vgl. BSG, Urteil v. 9.12.1998, BSGE Bd. 83 S. 176). Die Revisionsentscheidung des BSG vom 13. Dezember 2005 steht einer solchen Beurteilung der Streitfrage durch das Berufungsgericht nicht entgegen.
Gemäß § 170 Abs. 5 SGG hat das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Das gilt unabhängig davon, ob diese gesetzeskonform oder sonst rechtlich richtig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 170 Rn. 10a), ob sie von der gegenteiligen Auffassung eines anderen Senats des Revisionsgerichts abweicht, ob sie auf die Argumentation des Vordergerichts eingeht oder eine von diesem gar nicht geführte Argumentation widerlegt, ob sie Belange des Datenschutzes Drittbetroffener angemessen berücksichtigt oder auch nur als Leitlinie für die Praxis der Sozialverwaltung geeignet sein kann und welche Auswirkungen sie z.B. auf das Geschäftsgebaren der Banken gegenüber Sozialleistungsempfängern haben wird. Die von der Beklagten gegen die Begründung des Revisionsurteils vorgebrachte rechtliche Argumentation ist daher für den vorliegenden Fall grundsätzlich unbeachtlich.
Jedoch erfasst die Bindungswirkung lediglich diejenige die Erwägung tragende rechtliche Beurteilung, auf welcher die Aufhebung unmittelbar beruht (BGH, Urt. v. 18.1.1996, BGHZ Bd. 132 S. 6, 10; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 563 Rn. 7). Sie ist auf die ratio decidendi des Revisionsurteils beschränkt, soweit sie die vorinstanzliche Rechtsauffassung verwirft. Damit korrespondiert die Aufgabe und Verpflichtung des Revisionsgerichts, die Entscheidungskausalität seiner Ausführungen in den Gründen deutlich herauszustellen (Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 563 Rn. 3). Bleiben die Ausführungen in diesem Zusammenhang änigmatisch und selbst für verständige Prozessbeteiligte unklar, so findet eine Auslegung nicht statt; die Bindungswirkung entsteht ebenso wenig wie bei tatsächlich nicht erfüllbaren Auflagen oder bei obiter dicta, seien diese ausdrücklich als solche gekennzeichnet oder nicht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 11, Zöller, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund sieht sich das Berufungsgericht hier – zumal auch in ausführlicher Erörterung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 19.9.2006) Einigkeit zwischen den seriösen Beteiligten über das vom Revisionsgericht mit seinen Darlegungen im Urteil vom 13. Dezember 2005 im Ergebnis Gemeinte und über dessen Konsequenzen für den zu entscheidenden Fall nicht zu erzielen war – an einer für die Beklagte abermals günstigen Beurteilung nicht deswegen gehindert, weil das BSG jedenfalls sagt, das Geldinstitut verwende entgegen § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI den Wert des überwiesenen Betrages zur Befriedigung eigener Forderungen, wenn es eine Gutschrift auf ein im Soll stehendes Konto vornehme, da auf diese Weise die eigene Darlehensforderung (Rückzahlungsanspruch) gegen den Kontoinhaber befriedigt werde; darauf, ob diese Auffassung anderweitig, etwa durch Modalitäten einer Zinsberechnung, gestützt werden könnte, deren Ermittlung das BSG nicht für erforderlich gehalten hat, kommt es hier nicht an.
Es ist schon von der Formulierung her nicht klar, ob die entsprechende Argumentation des BSG tragend sein soll. Viel spricht dafür, dass es sich um ein bloßes obiter dictum handelt. Die Ausführungen finden sich nämlich unter Nr. 4 der Entscheidungsgründe hinter den einleitenden Worten "Ferner könnte das Geldinstitut ..." und sind daher offenbar überhin gesagt. Sie scheinen auch im Widerspruch zu stehen zu den Bemerkungen im 15. Absatz der Entscheidung, wonach die Bank von der Erstattungspflicht soll frei werden können, wenn sie die Gutschrift vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers und in dessen Verfügungsmacht übertragen hat und der Kontostand auf der Grundlage von berechtigten Verfügungen unter einen dem Wert der Geldleistung entsprechenden Betrag gesenkt worden ist (17. Absatz). Deutlicher wird es auch nicht durch die Überlegung, dass die Buchung der Geldleistung auf das Konto bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Verminderung der Schulden des Kontoinhabers darstelle und dass dieser – zunächst nur deklaratorischen – Buchung aufgrund ihrer Beweiswirkung wirtschaftlicher Wert zukomme (24. Absatz). Es ist zweifelhaft, ob sich diese unberechtigte "Buchposition" als erhebliche Änderung von Aktiv- oder Passivposten ausdrückte (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2001, MDR 2001 S. 1179). Jedenfalls würde hier die Beweiswirkung allenfalls für den Kontoinhaber, nicht aber für die Bank selbst, auf deren "Bereicherung" es ankäme, einen Wert darstellen, der zudem nur einem kleinen Bruchteil des Nominalbetrages entspräche.
Auch ist der Beklagten darin zu folgen, dass der "amtliche" Leitsatz (Nr. 2) für die hier zu entscheidende Frage nichts hergibt. Er ist schon durch die einleitende Verwendung der semantisch negativ-additiven Konjunktionalphrase "auch dann nicht ..., wenn" wenig verständlich, weil es an der Primärfeststellung fehlt, auf die möglicherweise Bezug genommen wird. Im Übrigen ist der Leitsatz nicht Bestandteil der Entscheidung und wäre schon deswegen nicht bindend. Erst recht käme der die Entscheidung vom 13. Dezember 2005 erläuternden Mitteilung der Pressestelle des BSG keine verbindliche Wirkung zu, auch wenn sie für sich genommen die vorgenannten Zweifel eventuell ausräumen könnte. Die Presse-Erklärung gibt allenfalls wieder, wie ihr (nicht benannter) Verfasser die Entscheidung verstanden hat, sie könnte indes eine Begründung nicht klärend ersetzen.
Allerdings könnte sich aus dem Umstand, dass das BSG die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und ihm insbesondere "zwingend" die Ermittlung "des Kontostands" (also eines zu beziffernden Wertes) zum Zeitpunkt des Eingangs der Geldleistung aufgegeben hat, mit genügender Deutlichkeit als die Entscheidung tragende Erwägung ergeben, dass bei Gutschrift auf ein mit einem bestimmten Betrag im Soll stehendes Konto die durch die sog. Skontration bewirkte Vermögensübertragung wegen der Regelung in § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI den Einwand nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI ausschließen solle. Hieran wäre das Berufungsgericht nach den vorstehenden Grundsätzen gebunden. Die Bindung entfällt freilich deshalb, weil die Auflage des BSG im vorliegenden Fall tatsächlich nicht zu erfüllen ist. Es kann der Kontostand "bei Eingang der Geldleistung" nämlich gar nicht präzise ermittelt werden, wenn, wie hier, am selben Wertstellungstag gleichzeitig mehrere Gutschriften eingegangen oder sonstige Buchungen ausgeführt worden sind. Auf die – beliebige – Reihenfolge der Auflistung ansonsten als gleichzeitig gekennzeichneter Buchungen im Kontoauszug kann es, wie selbst die Klägerin einräumt, nicht ankommen. Auch besteht nach glaubhafter Darlegung der Beklagten sonst nicht die Möglichkeit differenzierterer Ermittlungen außerhalb der schriftlichen Kontounterlagen, etwa zur Uhrzeit der Gutschriften. So führt die Aufgabe der Ermittlung eines exakten Kontostandes zum fraglichen Zeitpunkt in Aporie.
Besteht danach eine Bindungswirkung der Entscheidung des BSG in diesem Zusammenhang schon von vornherein nicht, so ändert daran nichts der Umstand, dass die weiteren Gutschriften ebenfalls unter einem (sich indes auf den Kontostand selbst nicht auswirkenden) Vorbehalt des § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI oder auch des § 52 Abs. 4 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz gestanden haben könnten und dass sich durch die weiteren Gutschriften am Wertstellungstag zufälligerweise ein Guthaben nicht ergeben hat.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung sowie aus § 160 Abs. 2 SGG.

Sachgebiete
Unzulässige Revision / Entscheidung über zulässige Revision, Urteilsentwurf an ehrenamtl. Richter
Auszahlung und Anpassung